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Mit der Zauberbrille unterwegs

Wie der Blick auf sechs Milieus die Gemeindearbeit verändern kann. Den Wunsch nach Rezepten, die Sicherheit und unumstößliche Eindeutigkeit bieten, will der praktische Theologe Prof. Eberhard Hauschildt von der Universität Bonn den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Pfarrkonferenz Recklinghausen nicht befriedigen. Was im Arbeitsalltag in der Gemeinde übersehen wurde, kann mit der 'Zauberbrille' der Milieus neu entdeckt werden.
Mit der Zauberbrille unterwegs

Prof. Eberhard Hauschildt, Uni Bonn

Mit seiner Perspektive 'Milieus praktisch“ geht es Hauschildt darum, „Handlungsspielräume auszuloten, damit vor Ort das Passende in Eigenverantwortung gefunden werden kann".

Im Raum der evangelischen Kirchen macht er sechs abgrenzbare Milieus aus. Diese Gruppen nehmen die kirchlichen Angebote verschiedenartig wahr, weil sie aus unterschiedlichen Lebenslagen kommen: Den „Hochkulturellen“ gefällt im Raum von Kirche insbesondere das anspruchsvolle kirchenmusikalische Angebot, wie die „Johannespassion“, den „Bodenständigen“ spricht eher die ‚traditionelle Hochzeit in weiß‘ an, die „Geselligen“ fühlen sich vor allem beim Kindergartenfest wohl, die „Kritischen“ mögen die gesellschaftskritische Aktionsgruppe, die „Mobilen“ schätzen den Technogottesdienst und die „Zurückgezogenen“ erinnern sich noch gut an die im Fernsehen übertragene Beerdigung von Prinzessin Diana, wenn sie alle gefragt werden: "Welche kirchliche Angebote haben Ihnen zugesagt?"

Statt Alter und vergleichbarem Einkommen verbinden die sechs Gruppen vor allem ihre gemeinsamen kulturellen Orientierungsmuster und Vorzüge. Hauschildt regt deshalb an, den eigenen Arbeitsalltag in der Gemeinde neu zu betrachten: „Welche Gruppen habe ich in meinen Veranstaltungen? Wo treffe ich auf Gemeinde- und Nicht-Gemeindemitglieder?“ Und er macht klar: Die unterschiedlichen Gruppen grenzen sich von einander ab, haben immer eine Art „Feindbild“. Daher sei es nicht zu erwarten, mit einem Angebot „alle Gruppen zu bedienen“. Dennoch könnten vor allem Symbole die unterschiedlichen Gruppen zueinander führen. Dies geschehe beispielsweise beim Abendmahl, wo Menschen die Grenzen ihrer eigenen Milieus gemeinsam überschreiten könnten.

Hauschildt will Pfarrerinnen und Pfarrern mit seinem Blick auf "Milieus praktisch" ein "Instrument bieten, das einem hilft, Aufgaben anders zu machen und mit erweitertem Handlungsspielraum zu arbeiten". Er plädiert für eine „Theologie des Milieus“, die sich dafür interessiert, für die jeweiligen Gruppen eine verständliche Sprache, passende Bilder und vermittlungsfähige theologische Anliegen zu entdecken. Aus dieser Perspektive ergänzen sich die gemeindebezogenen und die übergemeindlichen Angebote, denn sie erreichen jeweils unterschiedliche Zielgruppen, die zumeist nicht miteinander in Berührung kommen. Daher ermuntert Hauschildt die Pfarrerinnen und Pfarrer, untereinander dafür zu sorgen, dass "nicht alle Gemeinden das Gleiche anbieten". Mit der Brille für den Blick auf die Milieus im Raum von Kirche böte sich ein Instrument, solche Angebote zu entwickeln, so Hauschildt.

Text/Bild: hh
 

Literaturhinweis:
Milieus praktisch : Analyse- und Planungshilfen für Kirche und Gemeinde ; mit 6 Tabellen / Claudia Schulz/Eberhard Hauschildt/Eike Kohler, Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 2008