Das Alte Testament als Klangraum des evangelischen Gottesdienstes
Professor Dr. em. Jürgen Ebach bei seinem Vortrag vor der Pfarrkonferenz im Großen Saal des Hauses des Evangelischen Kirchenkreises
RECKLINGHAUSEN - Ein lustiger - oder auch listiger? - Spruch fiel Superintendentin Katrin Göckenjan irgendwo an einer Wand in Recklinghausen ins Auge: "Jesus zieht alles". Sie nahm das Wortspiel als Steilvorlage für eine vorgezogene Himmelfahrtsandacht vor dem versammelten Pfarrkollegium und einem bemerkenswerten Gast: Professor Dr. Jürgen Ebach em. aus Bochum.
Der Erhalt der Vielfalt und der Widersprüchlichkeiten in der Bibel ist dem Alttestamentler Ebach besonders wichtig, wie er an der der Übersetzung des Buches Hiob und Genesis 37-50 für die "Bibel in Gerechter Sprache" gezeigt hat. Er weiß sich darüber hinaus einer besonderen Gemeindennähe verpflichtet.
Sein Vortrag mit dem Titel "Das Alte Testament im Gottesdienst. Mit einem besonderen Blick auf das Amt der PresbyterInnen“ erwies sich als ein hörens- und nachlesenswertes, detailliert biblisch begründetes Plädoyer für ein genaues Überlegen, was da in wessen Namen von wem wie im Gottesdienst gesagt wird auf der Grundlage des Alten Testaments.
Gegenwärtig gebe es nämlich einerseits den Versuch, „die Rolle des Alten Testaments in der Verkündigung zu stärken“, wie es etwa in der Erprobung der neuen Perikopenordnung vermehrt mit alttestamentlichen Texten versucht werde. Andererseits gebe es aber auch den Versuch, die Rolle des Alten Testaments „in der Bibel zu mindern“, so Ebach mit Blick auf den Erlanger Theologen Notger Slenzka.
„In dieser Gemengelage wollte ich zeigen, dass das Alte Testament in der gottesdienstlichen Sprache nicht nur eine wichtige, ja unverzichtbare Rolle spielt, sondern dass sich der Gottesdienst als ganzer in einem alttestamentlichen Klangraum entfaltet“, sagte Ebach und erklärte grundsätzlich: „Das Neue Testament führt nicht aus dem Alten heraus, es führt vielmehr Menschen aus den Völkern in den Wahrheits- und Klangraum des Alten Testaments und so in den Raum Gottes hinein.“
Den liturgischen Stationen im Gottesdienst nachgehend, erklärte Ebach Schritt für Schritt die entsprechenden alttestamentlichen Bezüge vom Eingangsvotum „Im Namen“ bis zum Segen.
Zentral für den Gedanken einer Gerechtigkeit, die Gott praktisch zu entsprechen suche, stehe die Kollekte, die unbedingt in ihrer theologischen Bedeutung im Gottesdienst gestärkt werden sollte als „Gabe Gottes, von der ich etwas zurückerstatte“, weil sie mir nicht gehöre, erläuterte Ebach.
Anhand der wichtigen Stelle 4. Mose 11 erläuterte Ebach den engen Zusammenhang zwischen dem Wort Presbyter/in und Priester/in oder Älteste/r bzw. den Alten, die nach biblischem Verständnis allesamt keine Hilfskräfte seien, sondern Geistliche in Wort und Lehre. Damit könne „die Struktur der Gemeinde und der Kirche vor einer hierarchischen Ordnung“ bewahrt werden und ein wichtiges Merkmal der presbyterial-synodalen Verfassung der westfälischen Kirche wieder lebendig werden.
"Jesus zieht alles" - das Wortspiel ließ am Ende offen, ob dieser denn "von ganz oben runter" sieht oder zieht (z.B. 1. Kor 23) oder "von ganz unten rauf" (Philipper 2, 5-11). In der Zusammenschau beider Perspektiven aber entfaltet sich erst der ganze Klangraum dieser Vision, von Gemeinde und Dienst, die einige lieb gewordene Hierarchien in Frage stellt - vor allem die parochial-episkopale. GH
Ebachs Vortrag greift zurück auf das 2016 im Gütersloher Verlagshaus erschienene Buch: Jürgen Ebach, Das Alte Testament als Klangraum des evangelischen Gottesdienstes.