Denn Recht muß doch Recht bleiben (Ps 94, 15)
Am Samstag, dem 15.11.2010, hielt Prof. Dr. Heribert Prantl (57) unter der Überschrift „Die unteren Zehntausend“ eine Gastpredigt in der Gustav-Adolf-Kirche in der Reihe “Kunst totz(t) Armut". Prantl beklagte in seiner umfassenden Predigt vor allem die gesellschaftlichen Folgen neoliberaler Wirtschaftspolitik.
Der ‚homo faber flexibilis‘ und der ‚homo faber mobilis‘, der anpassungsfähige und mobile Mensch werde uneingeschränkt gefordert. „Der Wert des Menschen wird in unserer Gesellschaft nur am Lineal der Ökonomie gemessen“, hielt Prantl fest. „Die Realität sieht jedoch anders aus als bei einer Schnecke, die ihr Haus mit sich trägt“, sagte Prantl. An die Stelle der Ratio, der Vernunft, sei die betriebswirtschaftliche Rationalisierung getreten. “Es braucht eine Gegenbewegung gegen die Ökonomisierung des ganzen Lebens”, machte Prantl klar.
Er erinnerte an die Sage von König Midas, für den alles, was er berührte, zu Gold wurde, - auch seine Speisen, so daß ihn Dionysos vom Hunger befreien mußte. Prantl zog daraus die Schlußfolgerung:„Wer alles kommerzialisiert, kann auch am eigenen Erfolg krepieren“. Er erinnerte an die Verfassung der Schweiz. Dort habe man 1895 formuliert: „Die Stärke eines Volkes mißt sich am Wohl der Schwachen“. Prantl fragte die Zuhörerschaft, „ist das nicht die Übersetzung des Evangeliums?“. Mit seinem Urteil vom 9. Februar 2010 habe das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Leben formuliert. In Deutschland gehörten “Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechte zur Leitkultur”, so Prantl.
Der Kern des Christentums fände sich in dem Satz Jesu „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Mit Blick auf die kommende Weihnachtszeit sagte Prantl, die “Krippe ist das Anti-Sarrazin-Ensemble”. Die Drei-Königs-Geschichte stünde für den Dialog der Religionen mit Kaspar, Balthasar und Melchior, nämlich zwischen Christentum, Judentum und Islam. “Gott findet man im Miteinander derer, die sich gemeinsam auf den Weg Gottes machen, in der gemeinsamen Suche. Integration ist mehr als die Addition aller Dönerbuden in Deutschland”, spitzte Prantl zu.
Der Begriff des „sozial Schwachen“ sei eine beleidigende Bezeichnung derer, die "arm sind, aber nicht sozial schwach. Vielmehr sei der Staat 'sozial schwach'. Inzwischen habe sich die Gesellschaft an Exklusionen gewöhnt. Die Zahl der 300.000 Obdachlosen sei “das wohl häßlichste Gesicht der Armut” in Deutschland. 'Arm' seien aber inzwischen Millionen, nehme man die abgeschobenen Menschen in Alten- und Pflegeheimen dazu.
Prantl ist promovierter Jurist und arbeitet seit 1988 als Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, wo er seit 1995 als der Chef des Ressorts Innenpolitik tätig ist. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Publikationen und Reden.
Text/Bild: hh