Die Vermessung des Pfarrberufes – oder wie sich NKF (Neues kirchliches Finanzmanagement) auf das kirchliche Leben auswirkt
„Ökonomen gehen mit Knappheit um. Knappheit ist Ausdruck jeder ökonomischen Logik“, beschrieb Jähnichen zu Anfang den konzeptionellen Startpunkt der kaufmännischen Buchführung. Im Gegensatz dazu stände das theologischen Grundverständnis des „Lebens in Fülle“, wie sich in den Begriffen der „Gaben des Geistes“ und der Schöpfung bis in die frühe Neuzeit gezeigt habe. Überhaupt stünde ‚Gott‘ für ‚Fülle‘. Außerdem sei ökonomisches Denken an Vorstellungen von Machbarkeit und Kalkulierbarkeit geknüpft, die in der Regel Güter oder Dienstleistungen beträfen. Der Glaube dagegen entzöge sich ökonomischem Druck, er sei ein Geschenk.
Kupke sprach demgegenüber die aktuellen kirchlichen Krisensymptome an: großartige Kirchen mit 1000 Plätzen, in denen sich nur 10 Besucher befänden, die derzeitig größte Finanzkrise seit Bestehen der EKvW mit Mitgliederverlusten von jährlich 2 Prozent, seit 1991 seien die Einnahmen um 30 Prozent geschrumpft. Im Bereich der katholischen Kirche hätte dies Folge nach sich gezogen, dass z.B. in Essen jede dritte Kirche geschlossen worden sei. „Wir müssen das Personal, die Finanzen und die Verwaltung neu ordnen!“, sagte Kupke. Daher plädiere er für „Vernunft und kaufmännische Entscheidungen“. Bisher habe man in der EKvW glücklicherweise eine „Verschuldungspolitik vermieden“.
Jähnichen meldete Zweifel an, ob die ökonomischen Begrifflichkeiten von Effizienz und Effektivität auf Kirche übertragbar seien. Die formalen Ziele träfen im Verständnis der missio dei („Gottes Mission“) auf eine Sperre. Es sei durchaus sinnvoll sich über kirchliche Selbst- und Fremdwahrnehmung Gedanken zu machen, wenn man frage, „wie stelle ich mich als Kirche öffentlich dar?“. Problematisch seien die ökonomischen Momente von Top-Down-Steuerung, die der Netzwerkstruktur von Kirche entgegenständen. Nach reformatorischem Verständnis sei die evangelische Kirche antihierarchisch konzipiert. Daher sei die Frage zu stellen: „Wo stärken wir ohne Not die Hierarchie?“. Stattdessen rief er auf, das „Pfarramt und die Gemeinden“ zu stärken. „Jeder Pfarrer steht dann auch dafür ein, dass Koinonia (Gemeinschaft) in seiner Gemeinde lebendig ist“.
„Gemeinde baut sich vom Presbyterium auf“, hielt Kupke dagegen. Das NKF wolle nur eine andere Art von Hilfsmitteln anbieten. Positive Erfahrungen hätten sich z.B. bei Inventuren gezeigt. Es ginge um „Verantwortung und die Pflege der anvertrauten Dinge“. Die EKD habe ein Haushaltsbuch eingeführt, in dem Ziele und Indikatoren benannt worden seien. Damit sei auch eine Kontrolle der eigenen Ziele möglich. Erfahrungen zeigten, Pfarrer hätten mit den neuen Hilfsmitteln entdeckt, „Pfarrdienst ist wertvoll“.
Zahlreiche Mitglieder der Pfarrkonferenz bezweifelten die Vorteile des NKF. Es sei nicht absehbar, wie teuer die Umstellung und der Betrieb wären, wie sich die Bilanzierung verbessere, wo der „Erkenntnisgewinn“ liege. Der Pfarrberuf sei „ein Raum der Freiheit“, der sich nicht in operationalisierbare Einheiten verwandeln lasse. Im Bereich der Seelsorge ließen sich die Aufgaben nicht quantifizieren.
In der Diskussion präzisierte Jähnichen seine Position gegenüber dem NKF dahingehend, dass dies durchaus brauchbar und sinnvoll sein könne, wenn es als Instrument begriffen werde, das Transparenz herstelle. Allerdings spielten Zahlen nur eine vordergründige Rolle. Man könne mit NKF, „für sich quantifizieren, was mache ich? Wo können wir uns verbessern? Da können ökonomische Instrumente eine Rolle spielen“, so Jähnichen.
Für Kupke habe NKF der „Besserung der Freiheit statt der Einschränkung“ zu dienen. Es gehe um das Vorausschauende und um das Vorsichtsprinzip. Bisher sei Nachhaltigkeitspolitik nur freiwillig. Mit der Einführung des neuen Systems seien in der Buchhaltung Kostensteigerungen von 20 Prozent zu erwarten.
Abschließend hielt Jähnichen fest, Kirche müsse als „nicht-verzweckter Raum“ erkennbar sein. Dies sei „das besondere Merkmal, das uns unterscheidet, welches die Menschen bei uns suchen.“
Auf der kommenden Landesynode im Herbst wird die Debatte um NKF mit den Voten aus den Kirchenkreisen weitergeführt. Es bleibt spannend, ob und wie sich das Gesicht der Kirche durch ökonomisch orientierte Arbeitsinstrumente verändert…
Text: hh/Bild: uka