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Die Würde der Menschen zeigen

Der Berliner Bildhauer Harald Birck ist zu Gast im Diakonischen Werk in Recklinghausen. Dort gestaltet er zwei Tonbüsten von ehemaligen Obdachlosen. Sie sollen später öffentlich ausgestellt werden, um das kritische Bewusstsein für Armut und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft zu fördern.
Die Würde der Menschen zeigen

Rudolf Ratajczak beobachtet Harald Birck bei der Arbeit an seiner Tonbüste

„Rudolf Ratajczak war obdachlos, hat sich zwei Mal fast tot gesoffen, hat dann vor dreißig Jahren von einem Tag zum anderen aufgehört zu trinken“, berichtet Pfarrerin Silke Niemeyer. „Mit Hilfe der Diakonie fand er damals eine Wohnung und hatte dann viele Jahre lang eine Stelle bei der Wohnungslosenhilfe. Er erlitt zwei Schlaganfälle und wird im Oktober 72 Jahre alt“, erzählt Peter Erdmann, Abteilungsleiter Soziale Hilfen im Diakonischen Werk Recklinghausen seine Geschichte. "Ich war Mädchen für alles", sagt Rudolf Ratajczak über seine vormalige Tätigkeit.

Nach der viel beachteten Ausstellung „Kunst trotz(t) Armut“ im letzten Herbst luden die Altstadtgemeinde und das Diakonische Werk Recklinghausen jüngst den Berliner Bildhauer und Maler Harald Birck zur Modellierung ein. Birck zeigte seine beeindruckenden Büsten damals im Mittelgang der Gustav-Adolf-Kirche. Nun gestaltet Birck zwei Köpfe von ehemals Obdachlosen in Recklinghausen. Einer von ihnen ist der überlebensgroße Kopf von Rudolf Ratajczak, den Birck in viereinhalb Stunden aus Ton anfertigte. Rudolf Ratajczak ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden und schmunzelt erleichtert nach dem anstrengenden Modellsitzen.

Im Herbst 2006 begann Harald Birck mit der Porträtierung von Obdachlosen, deren Geschichte er in ihren Gesichtern nachspüren möchte. Oft waren sie zu scheu, sich modellieren zu lassen. Nicht jeder wollte sich als öffentlich sichtbare Büste in der Rolle des Armen zu zeigen. Dennoch hat Harald Birck inzwischen sechzig Köpfe in seinem Atelier in Berlin. Sein Anliegen ist, die „Schönheit und Würde dieser Menschen zu zeigen“, wie er sagt. „Sie entdecken dann oft selbst, was sie für einen schönen Kopf haben. Als einige der Dargestellten die Ausstellung ihrer Köpfe besuchten, sagten sie, wir sehen ja aus wie Könige“, erzählt Birck von seinen Erfahrungen. Eine Gage zahlt Birck seinen Models für verkaufte Exemplare seiner Büsten allerdings nicht: "Ich will die Menschen ja nicht kaufen und da mit einem 50er herumwedeln", stellt er klar.

Harald Birck, Jahrgang 1960, studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Er war Meisterschüler bei Prof. Klaus Arnold. Seit 1991 lebt er abwechselnd in Berlin und in Marval, Frankreich. In vielen Einzel- und Gruppenausstellungen wurden seine Skulpturen, Fotografien und Zeichnungen in Deutschland und Frankreich präsentiert.

Mit den beiden neuen faszinierenden Tonbüsten soll Armut und soziale Ausgrenzung als Problemfeld ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gehoben werden. Nachdem im letzten Jahr Landrat Cay Süberkrüb eine Tonplastik für sein Büro erworben hat, wollen Niemeyer und Erdmann erreichen, dass auch diesmal eine Büste an einen öffentlichen Ort gelangt. Der zweite Kopf soll dauerhaft beim Diakonischen Werk Recklinghausen ausgestellt werden.

 

Text/Bild: hh