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„Dreifachjubiläum im Kirchenkreis Recklinghausen“: 500 Jahre Reformation - 200 Jahre Preußische Union - 110 Jahre Ev. Kirchenkreis Recklinghausen

RECKLINGHAUSEN Ein "Dreifachjubiläum" mit bis zu dreihundert Gästen feierte das Recklinghäuser Forum zur Kirchenkreisgeschichtsforschung mit seiner fünften Studientagung des Instituts für kirchliche Zeitgeschichte des Ev. Kirchenkreises Recklinghausen (IKZG-RE), das von Prof. Dr. Albrecht Geck in Recklinghausen geleitet wird. Am Montag, dem 27. März 2017, standen vier Vorträge in der Zeit von 15 bis 22 Uhr auf dem Programm. Bekanntester Redner war Altbischof Prof. Dr. Dr. Wolfgang Huber mit einem Abendvortrag in der Christuskirche, Recklinghausen.
„Dreifachjubiläum im Kirchenkreis Recklinghausen“: 500 Jahre Reformation - 200 Jahre Preußische Union - 110 Jahre Ev. Kirchenkreis Recklinghausen

Dreifachjubiläum im Ev. Kirchenkreis Recklinghausen

Superintendentin Katrin Göckenjan stellte in ihrer Begrüßungsrede die die Tagung leitenden Fragen, nämlich danach, wie die Reformation unsere Gesellschaft geformt habe und "was wir aus der Vergangenheit" lernen könnten. Der theologische Vizepräsident der Evangelischen Landeskirche von Westfalen, Albert Henz, hob die Einzigartigkeit des kreiskirchlichen Instituts für kirchliche Zeitgeschichte hervor und wies auf das leitende Motto der westfälischen Aktivitäten zum Reformationsjubiläum "einfach frei" hin: "Wir sind 'einfach frei', weil wir von Gott gerechtfertigt sind", sagte Henz. 

Den anspruchsvollen und detailreichen Eröffnungsvortrag unter dem Titel "Das Vest Recklinghausen im spätmittelalterlichen Erzbistum Köln – Kirchliche, politische und religiöse Zustände" hielt der Leiter des Recklinghäuser Instituts für Stadtgeschichte/Stadt- und Vestisches Archiv, Dr. Matthias Kordes. Kordes zeigte plausibel auf, wie gering die Chancen der protestantischen Reformation in unserer Region waren. Mit Blick auf den Einfluss der katholisch regierten kölnischen Territorien hätte es im Vest kaum anders kommen können: Für die Anliegen der Reformation hätten in Westfalen kaum Chancen bestanden, da Westfalen nur ein "Nebenland der Reformation" gewesen sei. Die Reformation sei ein typisch städtisches Ereignis gewesen. Öffentliche Dispuationen hätten von 1530-32 vor allem vor Rathäusern stattgefunden. In unserer Region fehlten damals städtische Stiftskirchen, eine stark ausgeprägte und gut vernetzte Oberschicht sowie Buchdruckereien und Buchhandlungszentren. "Die Berühmtwerdung von Luther wurde dadurch verhindert", folgerte Kordes. Schwächere reformatorische Einflüsse seien dennoch in sog. Visitationsprotokollen sichtbar: Deutschsprachige Messen, der Laienkelch und Priesterkonkubinate fänden dort Erwähnung. Die wirksamen starken Beharrungskräfte im Rheinland und in Westfalen seien insbesondere durch den starken Einfluss der katholischen Kölner Universität zu erklären, die in Allianz mit den ebenso katholisch geprägten Universitäten Paris und Leuven die Ausbildung des hiesigen Säkularklerus prägte.

Der Tübinger Kirchenhistoriker, Prof. Dr. Jürgen Kampmann, wandte sich in seinem Vortrag der 200-Jahr-Feier der protestantischen Union in Westfalen und Preußen zu. Unter dem Titel "Zwischen Jubel, Rangeln und Ringen. Konjunkturen kirchlicher Praxis und theologischer Reflexion in der lutherisch-reformierten Union in Westfalen seit 1817" beleuchtete er die theologischen und politisch beeinflussten Ausgangspunkte evangelisch-lutherischer, evangelisch-reformierter und evangelisch-unierter Bekenntnisse im Raum der protestantischen Kirche. Der aus zeitgenössischer Sicht kaum nachvollziehbare Dissens zeichnete sich damals am theologischen Verständnis der Elemente des Abendmahls, von Brot und Wein ab. Die einen hielten daran fest, diese seien reine Zeichen, andere begriffen sie als leibhaftige Vergegenwärtigung des Leibes Christi. Kampmann entfaltete anschaulich den Einfluss des Königs von Preußen, Friedrich Wilhelm III., der an im Zuge preußischer Gebietsreformen einer Versöhnung der streitenden Parteien interessiert war. Am Ende der Auseinandersetzungen sei eine "erzwungene Einheit in der liturgischen Ordnung" herbeigeführt worden, die als 'von oben' dekretierte neue Gottesdienstordnung den Vereinigungswillen der unterschiedlichen Gemeinden abflauen ließ. Kampmann verwies darauf, dass die im 20. Jahrhundert nachgeholte Bekenntnisunion auf die tragende Bedeutung der Abendmahlsgemeinschaft aufmerksam mache, was sich in den Grundartikeln der heutigen westfälischen Landeskirche widerspiegele. Er plädierte dafür, in Bekenntnisfragen Dissens und Konsens zu klären und das Bewusstsein für die eigenen Bindungen wach zu halten.

Am Abend konnten fast 300 Besucherinnen und Besucher des Dreifachjubiläums dem Vortrag von Altbischof Prof. Dr. Dr. Wolfgang Huber folgen, der sich um die "Herausforderungen für Christen und Kirchen im 21. Jahrhundert" drehte. In seiner Begrüßungsansprache plädierte der Recklinghäuser Bürgermeister Christoph Tesche für eine Kirche, die in gegenwärtigen Zeiten "klar politisch Stellung" nehme.

Zu den Vorträgen von Prof. Dr. Albrecht Geck und Altbischof Prof. Dr. Dr. Wolfgang Huber folgt ein separater Bericht.

Text: hh