Flüchtlingsarbeit im Mittelpunkt der Kreissynode - Gute Finanzlage dient der Stärkung von Rücklagen
KIRCHENKREIS Die Herbstsynode des Evangelischen Kirchenkreises Recklinghausen war geprägt von den aktuellen Herausforderungen im Bereich der Flüchtlingsarbeit.
Landrat Cay Süberkrüb ermunterte in seinem Grußwort die Synodalen, ihre Hilfe mit ‚Herz und Verstand‘ gegenüber den Flüchtlingen zu zeigen: „Wir sind in der glücklichen Lage, Schutz bieten zu können. Wir müssen die Integration schnell vorantreiben“, appellierte er. Der Bürgermeister der Stadt Recklinghausen, Christoph Tesche, ermutigte die Kirchen auch mit Blick auf zu erwartende Schwierigkeiten bei den großen Aufgaben, sich „öffentlich zu positionieren, wenn es schwierig wird“.
- Flüchtlingsarbeit und Landessynode
Superintendentin Katrin Göckenjan (Foto: uka)
Im Gefolge der jüngsten Landessynode zitierte Superintendentin Katrin Göckenjan Annette Kurschus, die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. Die Präses habe auf das notwendige 'Zerbrechen der Illusion‘ aufmerksam gemacht, wir könnten den Flüchtlingen die Einreise verweigern und hätten dazu womöglich ein Recht. Wir alle hätten uns auf die Veränderungen einzustellen und daran teilzuhaben, habe Kurschus betont, so Göckenjan.
In ihrem Bericht von der Landessynode erläuterte die Synodale Anne Schindler eine Reihe aktueller Publikationen zur Flüchtlingsfrage, z.B., eine Übersicht von Aktivitäten zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in der EKvW zur Landesynode 2015 sowie eine Publikation zur evangelischen Kirche in türkischer und arabischer Sprache, eine Broschüre für die Arbeit mit Ehrenamtlichen vom Diakonieverband Rheinland Westfalen Lippe mit den drei Landeskirchen und ein Heft seitens der Evangelischen Jugend von Westfalen zu den Herausforderungen bei der Flucht von Jugendlichen.
- Ehrenamtliche Hilfe im Kirchenkreis
Jens Flachmeier (Foto: uka)
Seit 1. Juli 2015 koordiniert Jens Flachmeier als Beschäftigter der Diakonie mit einer halben Stelle die Arbeit mit Ehrenamtlichen für die Gemeinden und Dienste im Kirchenkreis. Der Koordinierungskreis wurde gegründet von Dr. Marion Lillig, Superintendentin Katrin Göckenjan und der vormaligen Synodalbeauftragten für Flüchtlinge, Pfarrerin Silke Niemeyer, die im Herbst nach Lüdinghausen gegangen ist. Die Kreissynode berief nun einstimmig Pfarrer Christian Hüging aus Datteln zu ihrem Nachfolger.
Der Hilfsfonds des Kirchenkreises für die Arbeit des Koordinierungskreises, beschrieb Flachmeier, habe sich gut eingespielt und werde für konkrete Hilfe wahrgenommen. Auch der Einsatz der Anwältin Gudrun Galster, bei der sich einmal im Monat Ehrenamtliche im Einzelfallrecht der Flüchtlingsarbeit Rat holen könnten, habe sich bewährt. „In allen Gemeinden des KKRE gibt es vielfältige Aktivitäten. Es gibt ‚Willkommenscafes‘ und Sprachkurse. Es gibt in allen Städten gut abgestimmte Angebote. Die Sprachkurse sind alle überlaufen“, berichtete Flachmeier. Nun stünde die Entwicklung von passgenauen Fortbildungsangeboten an. Ganz frisch sei die Homepage mit stadtbezogenen Angeboten erstellt worden. Sie findet sich unter der Webadresse www.diakonische-fluechtlingsarbeit.de. Daneben stellten sich neue Aufgaben, z.B. die des Umgangs mit einer 'Abschiedskultur‘, da nicht alle bleiben könnten. Einer der nächsten Fragestellungen sei, wie Familien, die aus Übergangswohnheimen kämen, in den Gemeinden Fuß fassen könnten. „Wie kann es gelingen, dass diese Menschen mitgenommen werden?“, fragte Flachmeier. Pfarrer Roland Wanke aus Marl erinnerte daran, bei der Zuwanderung von Muslimen die guten Kontakte und Erfahrungen mit den muslimischen Gemeinden im christlich-islamischen Dialog zu nutzen.
- Hilfe für Flüchtlinge im ehemaligen Kreiswehrersatzamt in Recklinghausen
Anette Shaw (Foto: uka)
Anette Shaw vom Diakonischen Werk Recklinghausen erläuterte den Synodalen, wie seit dem 9.11.2015 im Kreiswehrersatzamt gegenüber der Christuskirche in Recklinghausen Flüchtlinge aufgenommen werden. Von den 150 Plätzen seien bereits 149 besetzt. Zu den 66 Kindern gehörten 66 Erwachsene, die übrigen seien Alleinreisende. 70 Prozent der Flüchtlinge stammten aus Syrien, 20 Prozent aus Afghanistan. „Stimmung im Haus ist gut, die Bewohner organisieren sich selbst“, so Shaw. Es gäbe bereits viele ehrenamtliche Aktivitäten, so zum Beispiel in Kooperation mit einem Fußballverein in Gelsenkirchen, Sportangebote im Vormittagsbereich, erste Deutschkurse für Dezember seien geplant. „Im Moment reißt die Hilfsbereitschaft nicht ab. Wir müssen darauf achten, dass die eingesetzten Mitarbeiter bei Kräften bleiben“, sagte Shaw. In dem Haus kooperieren die lokale Recklinghäuser Diakonie und die Diakonie des Kreises mit der Altstadtgemeinde Recklinghausen.
- Vernetzung
Diakoniepfarrer Dr. Dietmar Kehlbreier (Foto: uka)
Die Vernetzung der Hilfsangebote mit Ehrenamtlichen erläuterte Dr. Dietmar Kehlbreier vom Diakonischen Werk im Evangelischen Kirchenkreis Recklinghausen: „Wir sind in mehreren Städten des Kreises unterwegs. Flüchtlinge kommen in unsere Regelangebote.“ Das kreiskirchliche Diakonische Werk einbringe die Öffentlichkeitsarbeit. Durch Internetseite seien bereits 50 Ehrenamtliche angeworben werden. Man kümmere sich um den Aufbau des Ehrenamts als Ergänzung hauptamtlicher Sozialarbeit. Eine weitere hauptamtliche Sozialarbeiterstelle sei ab 2016 geplant. Es käme nun darauf an, einen „Schlüssel für gute Nachbarschaft und zum Abbau von Vorbehalten“ zu liefern, so Dr. Kehlbreier. Ziel der ehrenamtlichen Arbeit sei es, den Flüchtlingen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben Menschen zu ermöglichen und ihnen zu Eigenständigkeit zu verhelfen. Gemeinsam mit der Altstadtgemeinde werde für Januar 2016 eine Benefizveranstaltung sowie ein Café International geplant.
Eine Stellungnahme zur Flüchtlingshilfe im Kirchenkreis stellte Industrie- und Sozialpfarrer Dr. Hans Hubbertz vor. Die Stellungnahme umreißt das Selbstverständnis der Arbeit; sie ruft die Gemeinden, die Dienste und die diakonischen Einrichtungen zu weiterer konkreter Hilfestellung auf. Der Text soll als Willkommensgruß an die Flüchtlinge in einer übersetzten Version vorgelegt werden und wurde einstimmig beschlossen. [Text zum Download mit Übersetzungen, erg. hh, 27.1.16]
- Finanzen
Pfarrer Burkhard Müller (Foto: uka)
Der Vorsitzende des Finanzausschusses, Pfarrer Burkhard Müller (Herten-Disteln), legte den Synodalen seinen Finanzbericht dar und führte aus: „Uns geht es gut in Deutschland. Jedenfalls im Schnitt. Nur dass die Reichen immer reicher werden, und die Armen ärmer, dass also die Schere weiter aufgeht, hier in unserem Land und mehr noch in unserer Welt, trägt nicht zur Stabilität bei.“ Von der stabilen Konjunktur profitiere auch das gegenwärtige Kirchensteuereinkommen. So erwarte die Landeskirche von Westfalen für 2015 eine Summe von 505 Mio. Euro, also rund 3 % mehr als 2014.
Die Kirchensteuerzuweisung für das letzte Jahr habe bei 13,09 Mio. Euro für den Kirchenkreis und damit um rund 821.000 Euro höher als veranschlagt gelegen. Dadurch habe man auf die geplanten Rücklagenentnahmen verzichten können. Die Überschüsse werden für eine Personalkostenrücklage im Bereich der Krankenhausseelsorge, für Gebäudesanierungsmaßnahmen am Kreiskirchenamt sowie als Sonderzuweisung an die Kirchengemeinden zur Rücklagenverstärkung verteilt.
- ‚ernten und säen‘
Dr. Ulrike Preuß (Foto: uka)
Dank umfangreicher Zustiftungen verfügt die kirchliche Gemeinschaftsstiftung für Kirche und Diakonie 'ernten und säen' inzwischen über ein Kapital von 1,35 Mio. Euro, wie die Vorsitzende des Stiftungsrates, Dr. Ulrike Preuß berichtete. Auf dem Buß- und Bettagsempfang des Kirchenkreises wurden die allgemeinen Erträge des Jahres 2014 zugunsten der Flüchtlingsarbeit im Kirchenkreis als Schwerpunkt übergeben, der auch im Folgejahr gelten soll. Daneben förderte die Stiftung im März 2015 eine Freizeit für psychisch erkrankte Menschen.
Text: hh/Fotos: uka