Gedanken zur Jahreslosung 2015 - „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat, zu Gottes Lob.“ Römer 15,7 - von Superintendentin Katrin Göckenjan
„Natürlich“, sagt die Leiterin. „Wir legen Wert darauf, biblische Geschichten zu erzählen und unsere christlichen Feste zu feiern. Unsere Kinder sollen wissen, wer sie sind, gerade in Sachen des Glaubens. Schließlich haben die Familien für ihre Kinder eine evangelische Einrichtung ausgesucht.“
Ich: „Und die muslimischen Kinder und ihre Familien – was machen die in der Zeit? Und dann gibt es ja auch noch die, die sich keiner Religion zuordnen.“
„Die laden wir herzlich ein“ erzählt die Leiterin. „Viele kommen auch, weil sie neugierig sind. Sie haben sich ja auch unsere Einrichtung für ihre Kinder ausgesucht. Hinterher reden wir mit den Kindern darüber, warum wir Weihnachten feiern. Und Ostern. Und die muslimischen Kinder erzählen, worum es beim Zuckerfest geht.“
„Gibt es auch Streit um die Regeln im Kindergarten?“, frage ich.
Die Leiterin erzählt: „Neulich haben wir eine Diskussion um das Essen gehabt. Manche muslimische Eltern forderten für ihre Kinder ein getrenntes Essen. Es sollte den religiösen Geboten entsprechend „halal“ (erlaubt) sein. Also sollte es zum Beispiel kein Schweinefleisch mehr geben. Wir haben dann gemeinsam überlegt, dass es ja für Alle gar nicht so schlecht ist, wenn wir weniger Fleisch reichen und dafür mehr Gemüse. Dann haben wir uns darauf verständigt, eine Köchin einzustellen, die die muslimischen Gebote kennt und berücksichtigt.“
„Und?“
„Seitdem schmeckt es allen. Liebe geht ja schließlich durch den Magen.“
Diese Begegnung ist ein wunderbares Beispiel dafür, was möglich wird, wenn wir die Losung für das Jahr 2015 als unseren Navigator nehmen und uns an ihr orientieren:
Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat, zu Gottes Lob. (Römerbrief 15,7)
Der Apostel Paulus hat sie an die Gemeinde im multikulturellen Rom geschrieben. Er fand dort eine Gesellschaft vor, die zerteilt und zerrissen war. In Freie und Sklaven. In Reiche und Arme. In Römer und Fremde. Sein Modell für eine Gemeinschaft ist ein Gegenentwurf dazu: Jesus Christus hat in seinem Tod am Kreuz alle Trennungen und Brüche, auch den Bruch zwischen Gott und Menschen auf sich genommen. Deshalb sind wir Menschen nicht mehr einer tödlichen Vereinzelung ausgeliefert. Jesus Christus selbst hält die Gemeinschaft zusammen. Sie beruht auf Gegenseitigkeit. Jede hat einen Platz. Jeder trägt etwas bei. An der Art, wie die Gemeinde miteinander lebt, zeigt sich Gottes Kraft und Gottes Geist. Sie verkörpert die Menschenfreundlichkeit Jesu und bringt sie unter die Leute.
Aus dem Besuch in der Kindertageseinrichtung lerne ich: Wir haben als evangelische Kirche mit unseren Gemeinden, Kindertagesstätten und diakonischen Einrichtungen eine große Chance und eine große Aufgabe. Wir sollen - und können - Jesu Menschenfreundlichkeit vorleben. Untereinander. Und wenn wir in der multikulturellen Welt unser Zeit unterwegs sind. Es ist gut, wenn wir selber wissen, wer wir sind, wer uns trägt und was uns zusammenhält. Dann können wir uns in andere hineinversetzen, ohne uns selbst zu verlieren. Wir lernen, Sie zu verstehen. Ihre Ängste wahrzunehmen und auf ihre Sehnsucht zu hören.
Es ist gut, wenn wir uns selbst angenommen wissen. Dann können wir anderen eine Brücke bauen. Damit niemand außen vor bleibt. Oder sich abseits hält.
Darum: Nehmen wir einander an, wie Christus uns längst angenommen hat. Zum Wohl der Menschen und zu Gottes Lob!
Ich wünsche uns allen ein gesegnetes Jahr 2015
und grüße Sie alle herzlich
Ihre Katrin Göckenjan