Leute wie ich können auch total nerven - Für Katrin Göckenjan ist es wichtig, den Reichtum der Verschiedenheit auszuschöpfen
Katrin Göckenjan in der Stephanuskirche: „Meine Signale stehen meistens auf Offenheit, Neugier und Beratungsbedarf.“ Foto: Cornelia Fischer
Der Abschied fällt beiden Seiten schwer, aber gekränkte Gefühle hat Göckenjan seit ihrer Wahl am 24. November nicht besänftigen müssen. „Das ist richtig schön, ich habe in der Gemeinde viel Verständnis erlebt und sogar ein wenig Stolz.“ Andere Reaktionen wären durchaus denkbar, denn die Gemeinde wird die Pfarrstelle wohl verlieren und das Pfarrhaus wird anderweitig genutzt werden müssen. Die Residenzpflicht der Superintendentin „bricht“, wie das Landeskirchenamt mitgeteilt hat, die Residenzpflicht des Gemeindepfarramtes. Deshalb wird die neue Superintendentin mit ihrer Lebenspartnerin Karla Wessel nach Recklinghausen ziehen. Wessel wird als Pfarrerin der Trinitatis-Gemeinde ein Büro in Buer bekommen und den kurzen Weg zwischen Wohnort und Arbeitsplatz pendeln.
Man muss den Menschen etwas zutrauen
Mit zwei halben Pfarrstellen haben Göckenjan und Wessel 1994 ihren Dienst in der damaligen Kirchengemeinde Buer (Mitte) begonnen. 2001 kamen je 25 Prozent Dienstumfang dazu, erst 2009 in der mit Scholven und Hassel-Markus vereinigten Trinitatis-Kirchengemeinde Buer bekamen beide eine ganze Pfarrstelle. „Für mich hat sich dabei gezeigt: Den Gemeindepfarrdienst zu teilen, ist schwierig. Ich wollte immer ganz viel und hatte große Freude an der Arbeit. Dabei kamen die Freiräume, die eine Stellenteilung bringen soll, immer zu kurz.“
Ihre erste Erfahrung im Pfarramt war: „Man muss den Menschen etwas zutrauen.“ Konnte sie das, was ihr Studium bereichert hatte, mitnehmen in die Gemeinde? Das ging leichter als gedacht, fand sie schnell heraus. Bald gab es eine Frauengruppe, die feministische Gottesdienste vorbereitete und durchführte. „Da waren die Rollen oft gar nicht klar definiert. Jede brachte etwas mit und brachte sich ein.“
Diese Erfahrung konnte sie mit vielen verschiedenen Themen immer wieder machen. „Da waren die ökumenischen Themen wie das Erlassjahr, die Partnerschaft mit Kanada: Die Zeit von 1999 bis 2006 war geradezu vollgestopft mit Projekten“ – für die sich immer wieder engagierte Gemeindeglieder fanden. Daraus ist die bis heute bestehende Friedenswerkstatt entstanden. In jüngster Zeit war es das Pilgern, für das sich in Buer und darüber hinaus Menschen begeisterten.
Viel Arbeit für ein gutes Zusammenspiel
Das Zutrauen und das Leiten haben für die 50-Jährige ganz viel miteinander zu tun. „Zu erleben, dass andere sich ermutigt fühlen durch die Art, wie ich leite, das ist einfach toll.“ Wie sie das macht? „Meine Signale stehen meistens auf Offenheit, Neugier und Beratungsbedarf.“ Zudem findet sie, dass es sich lohnt, tatsächlich gemeinsame Entscheidungen anzustreben. „Wenn unterschiedliche Aspekte einfließen, wenn man sich schon im Vorfeld auch mit den Fragen und Einwänden der Skeptiker ehrlich auseinandersetzt – dann werden die Entscheidungen am Ende einfach besser.“
Teamarbeit hat sie vor allem im Pfarrkollegium kennen und schätzen gelernt. „Das war bei uns kein Lippenbekenntnis, zu sagen: Es ist ein Reichtum, dass wir verschieden sind. Wir haben uns immer gut gegenseitig wahrgenommen und uns Freiräume gelassen.“ In nüchterner Selbsterkenntnis formuliert: „Leute wie ich können auch total nerven, vor allem, wenn es nur solche gibt.“ Sie braucht andere, die auch anders sind, an ihrer Seite.
Das Pfarrkollegium der Trinitatis-Gemeinde bezeichnen manche in Anspielung auf die Enid-Blyton-Bücher als die „fünf Freunde“ (trotz Enid Blyton sind es eigentlich sechs). Dieses Klischee will Göckenjan nicht gelten lassen. „Wir hatten durchgängig eine Supervision zur Teamentwicklung“, schildert sie die Arbeit, die hinter dem guten Zusammenspiel steckt. „Die Idee war: Es gibt in der neuen Großgemeinde einen Pfarrdienst, den wir gemeinsam tun. Wer darin welche Rolle spielt, daran haben wir kontinuierlich gearbeitet – und das Team wird das ohne mich weiterhin tun.“
Sich auch mal selbst durch den Kakao ziehen
Wie kann es in einem Amt, in dem es um Gott und die Menschen geht, auch anders sein? Göckenjan wird in erster Linie „die vielen Menschen vermissen, die mir ans Herz gewachsen sind.“ Die Nähe zu den Kolleginnen und Kollegen und zu den Gemeindemitgliedern wird ihr fehlen. „Die wird in Recklinghausen auch kommen, aber durch die andere Rolle wird sie auch anders aussehen.“ Die Kirchen und anderen Gottesdienstorte, mit denen sich besondere Erinnerungen verknüpfen, lässt sie nicht einfach hinter sich. In besonderer Erinnerung wird ihr der Humor bleiben: „Dieses Presbyterium, das sich so herrlich selbst durch den Kakao ziehen kann wie bei der Danke-Feier, das ist schon etwas ganz Besonderes.“
[Quelle: http://www.kirchegelsenkirchen.de/infos/nachrichten/einzelansicht/artikel/leute-wie-ich-koennen-auch-total-nerven.html
Der Ev. Kirchenkreis Recklinghausen dankt der Kollegin Katharina Blätgen (Öffentlichkeitsarbeit, KK Gelsenkirchen) für die freundliche Erlaubnis zur Publikation ;-)]