„Quo vadis?“ Solidaritätsgottesdienst in der Pauluskirche in Marl: Die Zeche Auguste Victoria schließt Ende 2015 in Marl - Wo liegt die Zukunft im Strukturwandel?
KIRCHENKREIS Im Schatten der zum Jahresende anstehenden Schließung des Bergwerks Auguste Victoria in Marl fand der traditionelle Solidaritätsgottesdienst in der voll besetzten Pauluskirche diesmal im Herbst statt. Das Vorbereitungsteam der Vertrauensleute, Betriebsräte verschiedener Betriebe aus der Region, den Moscheen und den beiden christlichen Kirchen hatte das lateinische Motto gewählt "Quo vadis?" (Wohin gehst du?). Der Spannungsbogen des Gottesdienstes drehte sich um die viele bewegende Frage, woher die Stadt Marl ihre Prägung erfahren hat und wohin die zukünftige Entwicklung geht?
Abschied
Der Gottesdienst war für die zahlreichen Gottesdienstbesucher und -besucherinnen einer der wichtigen Momente, mit denen die lange, prägende Geschichte von 116 Jahren des Bergbaus in Marl an ihr Ende kommt.
In einer anschaulichen Inszenierung wurden in den letzten Jahren untergangene Betriebe aus der Region symbolisch in Flammen gesetzt. So wurde rückblickend gezeigt, welche Unternehmen in der Region in den letzten Jahren ihre Produktionsstandorte geschlossen hatten: Nokia und Opel in Bochum, Ontex in Recklinghausen. Bis auf den Bergbau, der nun nach langem politischen Ringen im Dezember 2015 die Zechenanlage in Marl stilllegt, waren die Werksschließungen immer mit großen Entlassungen verbunden. Dem wurden Betriebe gegenübergestellt, die sich mit umfangreichen Belegschaften im Strukturwandel behaupten: Evonik, Haus Vogelsang und Viva West sowie die Vestische Straßenbahnen.
"Wir nehmen traurig Abschied vom Bergbau in Marl, einer Industrie, die eine ganze Kultur hervorgebracht hat. Wir gehen zugleich hoffnungsvoll in die Zukunft", sagte Superintendentin Katrin Göckenjan. Unter den Kollegen herrsche „keine Endzeitstimmung“, so der AV-Betriebsratsvorsitzende Norbert Maus. Man gehe mit „Stolz, Würde und erhobenen Hauptes“, so Maus. Dies sei die Haltung, mit der man der Zukunft zu begegnen habe, schloss sich Weihbischof Dieter Geerlings an.
Solidarität und Mitbestimmung
"Solidarität ist eine Kernmarke des Ruhrgebiets", hielt der diesjährige Gastredner, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, zu Beginn seiner Ansprache fest und blickte zurück auf die Geschichte der Mitbestimmung und des Bergbaus in der Region. Ohne den Bergbau hätte es in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg kein Wirtschaftswunder gegeben, sagte Hoffmann. Dank der Montanmitbestimmung sei es nicht zu einem Strukturbruch gekommen. Die jungen Menschen bräuchten eine Perspektive. Eine moderne Industriepolitik sei gefordert, ebenso wie eine gute Ausbildung für junge Menschen.
„Der Bergbau hat die Stadt dazu gemacht, was sie wurde. Der Bergbau war allgegenwärtig in der Stadt“, erinnerte Bürgermeister Werner Arndt. Nach der Umsetzung der ihn nicht überzeugenden kohlepolitischen Beschlüsse, sei es das Ziel der Stadt, zukünftig „möglichst viele Arbeitsplätze zu schaffen“.
Text/Bilder: hh