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Stellungnahme des Evangelischen Kirchenkreises Recklinghausen zu den rassistisch motivierten Mordanschlägen

Am 19. November 2011 entschied die Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Recklinghausen, sich mit einer politischen Stellungnahme zu den rassistisch motivierten Morden aus dem rechtsradikalen Milieu zu äußern. Dazu wurde eine Adhoc-Arbeitsgruppe einberufen. Gestern Abend beschloss das leitende Gremium des Kirchenkreises, der Kreissynodalvorstand, folgenden Text, der am kommenden Sonntag als Kanzelabkündigung in den Gemeinden des Kirchenkreises verlesen werden soll.
Stellungnahme des Evangelischen Kirchenkreises Recklinghausen zu den rassistisch motivierten Mordanschlägen

Protest gegen Nazis 2011 (Bildausschnitt: agfreiburg, Lizenz: Creative Commons)


"Der Evangelisch Kirchenkreis Recklinghausen ist schockiert und bestürzt über die gerade aufgedeckte Serie von Verbrechen rechtsradikaler Gewalttäter in Deutschland. Wir trauern mit den Angehörigen um die Opfer der rassistisch motivierten Gewalt- und Mordserie.
Wieder wurden Menschen ermordet, ihre Angehörigen wurden verdächtigt, Muslime und andere Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund wurden durch Berichterstattung und Ursachendeutung verunglimpft (Ehrenmord, Schutzgelderpressung, Döner-Morde).
Rechtsradikale mit rassistischer Gesinnung haben vor den Augen der Öffentlichkeit gemordet. Die Polizei kam erst nach 11 Jahren scheinbar zufällig auf die Spur der Täter. Es kommen jeden Tag neue Informationen ans Tageslicht. Unterlagen werden gefunden, die auf eine Zusammenarbeit der Täter mit den Verfassungsschutzbehörden schließen lassen. Es ist erschreckend, dass Menschen aus dem Umfeld der mutmaßlichen Täter und Täterinnen zugleich für den Staat als „Vertrauensleute“ tätig waren. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund wurde bei den Ermittlungen und in der öffentlichen Wahrnehmung jahrelang außer Acht gelassen. In erschreckender Weise zeigt sich wieder: Die nationalsozialistische Weltanschauung ist und bleibt rassistisch und gewalttätig (so die Evangelische Frauenhilfe Westfalen in ihrer aktuellen Stellungnahme).
Dabei weckt die über 10 Jahre lang versteckte und unentdeckte Vorgehensweise der Täter und ihre besondere Heimtücke Ängste und Befürchtungen nicht nur bei ausländischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen. Denn ein Angriff auf eine Minderheit ist immer auch ein Angriff auf unsere Gesellschaft.
Auch die zwielichtige Rolle des Verfassungsschutzes und anderer staatlicher Organe sowie deren zumindest teilweise Verstrickung in die Ereignisse gibt zu Sorge Anlass.
„Während die Gefahr durch den Islamismus oder linksautonome Gruppen hohe Beachtung fand und zur Bereitschaft führte, bürgerliche Grundrechte einzuschränken, blieb der Widerstand gegen nationalsozialistisch motivierte Aktivitäten den Kommunen, kirchlich und zivilgesellschaftlich Engagierten in den Kommunen überlassen“*, die in ihren Stadträten mit rechten, nationalsozialistischen und rassistischen Parteiorganisationen leben müssen. Trotz Tausender rechtsradikaler Straftaten, die jährlich in unserem Land begangen werden, wird die rechte Gewalt offensichtlich verharmlost.
•    Wir fordern eine zügige und rückhaltlose Aufklärung der Verbrechen, sämtlicher Verstrickungen der staatlichen Organe in das rechtsradikale Milieu und der angeblichen Pannen in der Arbeit der Polizei und des Verfassungsschutzes, sowie  eine Verurteilung der Täter nach dem geltenden Recht und den Gesetzen unseres Staates.
•    Wir lehnen eine Verschärfung der Gesetze zur inneren Sicherheit ab.
•    Wir rufen auf zur Wachsamkeit gegenüber rassistischer Stimmungsmache, wie sie z.B. PRO NRW verbreitet.
•    Wir stehen an der Seite von Menschen, die von rechtsradikalen Diffamierungen und Gewalt bedroht werden und setzen uns ein für ein Klima der Toleranz und Solidarität, den Abbau von Feindbildern und Vorurteilen, wie es z.B. im interreligiösen Dialog, in der Flüchtlingsarbeit und in einer antirassistischen evangelischen Jugendarbeit geschieht.
Wir erinnern an die Worte der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen aus dem August 2000: „Das biblische Zeugnis hält uns an, Fremden und Flüchtlingen Schutz zu gewähren und ihr Lebensrecht zu verteidigen. <Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken, denn ihr wisset um der Fremdlinge Herz, weil ihr auch Fremdlinge in Ägyptenland gewesen seid>, heißt es in 2. Mose 23,9. Das Volk Gottes bekennt Gott als den Beschützer der Armen und Bedrängten, im Umgang mit Fremden und Schwachen muss sich der Glaube konkret bewähren. Jesus von Nazareth nimmt die Tradition seines Volkes auf: <Was ihr nicht getan habt einem meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir nicht getan.> Jeder Mensch, jeder Mann und jede Frau, ist als Bild Gottes geschaffen. Darin gründet ihre einmalige und unveräußerliche Würde. Der aktive Einsatz für das Lebensrecht und die Würde jedes einzelnen ist deshalb keine politische Streitfrage, zu der man so oder so stehen kann, er gehört zum Wesenskern unseres gemeinsamen christlichen Glaubens. Das verbindet uns mit dem weltweiten Bemühen der Christenheit zur Überwindung von Gewalt.“**
Wir fordern alle demokratischen Kräfte auf, zusammenzustehen gegen jede Form rechtsradikalen Gedankenguts und rechter Gewalt und damit anzuknüpfen an das Aktionsbündnis gegen Rechts."

Stand: 02.12.2011

*Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V.: Stellungnahme zu den rassistisch motivierten Mordanschlägen  (Soest, 24. November 2011)

** Stellungnahme der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen zu Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, 17. August 2000

Bildlizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/deed.de