"Was machen Sie am 31. Oktober?" - Gedankenaustausch der vier leitenden Geistlichen im Vorfeld des zentralen ökumenischen Gottesdienstes am Reformationstag
Probst Jürgen Quante, Synodalassessor Pfarrer Frank Rüter, Superintendentin Katrin Göckenjan und Weihbischof Dieter Geerlings (v.l.n.r) vor der Christuskirche. Sie laden dorthin herzlich zum gemeinsamen Reformationsgedenken um 11 Uhr ein.
RECKLINGHAUSEN - „Was machen Sie am 31. Oktober?“ Auf diese Frage blickte Superintendentin Katrin Göckenjan im Gespräch mit Weihbischof Dieter Geerlings und Propst Jürgen Quante mit „Dankbarkeit und Trauer“ auf das Ende des diesjährigen Reformationsfestes und damit auf den Ertrag der zehnjährigen Luther-Dekade in ökumenischer Zusammenarbeit.
Geerlings betonte angesichts der Perspektive der gemeinsamen Predigt am Reformationstag in der Christuskirche in Recklinghausen als dem Tag des „Reformationsgedenkens“, dass die evangelische Kirche eigenständige Kirche sei und er sehr dankbar sei für das „gute Zusammenspiel“ in der Reformationsdekade. Bei dem gemeinsamen Gottesdienst am Reformationstag werde er sich mit der Frage beschäftigen, wie Luthers Entdeckung, dass der Glaube „nicht mein Werk“ sei, sondern allein aus Gottes Gnade entstehe, heute so zu übersetzen sei, dass sie verständlich werde. Seine Erkenntnis eröffne einen völlig anderen Blick auf die Welt. Die Glaubensfrage könnte heute so lauten: Was ist mein Leben wert? Und dies angesichts der Situation, dass der Glaube in der säkularen Gesellschaft als eine Sache neben anderen vielen Dingen existiere.
Wie die reformatorische Botschaft von Gnade und Barmherzigkeit in einer gnadenlosen Welt „Fleisch und Blut“ werden könne, sei die Herausforderung, sagte Göckenjan. „Wir brauchen einander“, so ihr Fazit. Es gehe um die „sichtbare Einheit in der versöhnten Verschiedenheit“, sagte Geerlings im Anschluss daran. Göckenjan äußerte sich positiv über die Veranstaltungen und Begegnungen im Rahmen des Reformationsjubiläums. Es sei „sehr gelungen, ins Gespräch zu bringen, wer Luther war“. Für das Selbstverständnis der evangelischen Kirche sei es wichtig, zu erkennen, dass „wir dazugekommen sind“. Dies zu erkennen, erfordere auch eine gewisse Demut.
Aus Geerlings Sicht hätten die zehn Jahre der Lutherdekade geholfen, anders über Martin Luther zu sprechen und über Begriffe wie Freiheit, Gewissen und Demokratie neu nachzudenken. Bei der aktuellen Lutherbilder-Ausstellung im Kloster Dahlheim bei Paderborn sei ihm klar geworden, dass Luther als Person auch immer im Laufe der Zeiten instrumentalisiert worden sei. Diese Erkenntnis sei wichtig, um befreiter mitfeiern zu können. Die theologischen Probleme seien allerdings auf der Ebene der Amtskirche nicht gelöst, im Gegensatz zur alltäglichen ökumenischen Praxis.
„Wie viel wir gemeinsam machen“ werde deutlich an den vielen gemeinsamen ökumenischen Projekten, beispielsweise in der Telefonseelsorge, im Hospiz, beim Projekt „Kirche und Kino“, sagte Göckenjan. Es gehe hier um die Frage, wie diese Projekte auch in Zukunft verlässlich gemeinsam gestaltet werden können, sich damit auch die Ökumene strukturieren werde und ob es eine Klarheit und Verbindlichkeit auch weiterhin für die gemeinsame Zusammenarbeit geben könne, um die Nachhaltigkeit des gemeinsamen Prozesses zu sichern. Den Gedanken der Nachhaltigkeit aufnehmend, betonte Geerlings, dass es hierbei nicht um den Selbstzweck der Kirchen gehen könne. Die gemeinsame christliche Botschaft könne auch nur gemeinsam verkündigt werden.
Als Ziel für die nächsten zehn Jahre hält Quante es für erstrebenswert, den derzeit in der Alltagspraxis guten Status quo der ökumenischen Zusammenarbeit in zehn Jahren mindestens zu erhalten oder sogar zu verbessern. Auf dieser Basis „sollten wir stärker ‚wir Christen‘ sagen“, so Quante. Das Hauptproblem sei, so Geerlings, die Gleichgültigkeit gegenüber der christlichen Botschaft, die die Herzen der Menschen erreichen solle. Dies sei nicht Aufgabe der Politik beziehungsweise des Staates.
Göckenjan betonte, dass die Geschichte des Christentums immer auch eine Geschichte der überraschenden Wendungen gewesen sei. Von daher sei eine wichtige Aufgabe, „sich gegenseitig stark“ zu machen und im Alltag „richtig gut zu leben mit einer Perspektive darüber hinaus.“
(GH, Foto: uka)