"Wir müssen die Kunst besitzen, Herzensanliegen aufzunehmen“
KIRCHENKREIS Gerrit Heetderks, Geschäftsführer des Ev. Erwachsenenbildungswerks Nordrhein (eeb), und Karin Nell, Referentin für innovative Bildungs- und Kulturarbeit beim Ev. Erwachsenenbildungswerk Nordrhein, erläuterten auf der Pfarrkonferenz im Evangelischen Kirchenkreis Recklinghausen Anfang Juni, wie moderne Quartiersarbeit heute aussehen kann, will sie erfolgreich und attraktiv sein.
Gerrit Heetderks und Karin Nell erläuterten ihre Erfahrungen mit Quartiersarbeit auf der Pfarrkonferenz im Juni 2015
Im Kern neuer Quartiersarbeit stehe die Idee der Verzahnung und der Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen. So werden im Konzept „Wohnquartier 4“ vier Handlungsdimensionen behandelt: das Wohnen und sein Umfeld, Gesundheit und Pflege, Partizipation und Kommunikation sowie Bildung, Kunst und Kultur. Der Fokus der Arbeit liege auf der Zielgruppe der älter werdenden Menschen. Im Hintergrund aller Aktivitäten stehe die Leitfrage: „Wie können Menschen aktiv werden und ihre Interessen selber vertreten?"
Das Evangelische Zentrum für Quartiersentwicklung hat sich zum Ziel gesetzt, die klassische Arbeit mit von einander isolierten Zielgruppen zu überwinden. Stattdessen gehe es vielmehr darum, die Zielgruppen die Zielgruppen miteinander zu verzahnen. Analog zum Gleichnis der 5000 erläuterte Heetdirks, käme es in der Arbeit im Quartier darauf an die Bedürfnisse der Menschen ernstzunehmen und Menschen in den Stadtteilen zu fragen,wonach sie sich sehnten: „Was willst du für dich und andere tun?“. Heetderks empfahl seiner Zuhörerschaft: "Wir müssen die Kunst besitzen, Herzensanliegen aufzunehmen".
Karin Nell , die kürzlich ein Buch mit dem Titel „keywork 4“ herausgegeben hat, beschrieb die fruchtbare Kooperation mit dem Künstler und Akkupunkteur Rudi Fink. Dieser habe darauf aufmerksam gemacht, bei Interventionen darauf zu achten, wo Energie fließe und wo nicht. Gezielte, starke Impulse, die nicht immer gleich weltbewegend sein müssten, könnten an entscheidender Stelle Dinge in Bewegung bringen, wo ansonsten Stillstand herrsche. Anregend seien Fragen wie: „Was bewegt Sie? Was möchten Sie bewegen? Wer könnte Kooperationspartner sein?“
Mit kleinen sechs- bis siebenfachen Veranstaltungen in Stadtteilen, die beispielsweise von Wartezimmern in Arztpraxen unter dem Titel „Herzenssprechstunde“ ausgingen, habe man gute Erfahrungen zum Aufbau von Gruppen gemacht, die im direkten Wohnumfeld Kontakte und Initiativen auf den Weg gebracht hätten. Ähnlich gute Vernetzungseffekte hätten sich in einer Reihe „Sommercafé“ gezeigt, die mit sechs Veranstaltungen 90 Personen zusammengebracht haben, worunter 40 Flüchtlinge gewesen seien. Zeitlich überschaubare, kleine Projekte hätten für viele eine enorme Attraktivität, in denen an vielen Stellen bezahlte und unbezahlte Kräfte gut miteinander kooperieren könnten. Manches Finanzproblem sei von Menschen bewältigt worden, die aus ihrer beruflich aktiven Zeit über hilfreiches Erfahrungswissen und Kontakte verfügten. Alles dieses könne nun in Projekte einfließen.
Aus der Vielzahl der Projekte hervorzuheben seien, der Aufbau von Werkstätten, das Mühlheimer „Heinzelwerk“, das im Bereich der Freiwilligenarbeit Aufträge übernehme, oder die sog. „Wohnschule“ in Köln, in der über das Thema „Wohnen“ und „Wohnen im Alter“, „alle existenziellen Fragen“ angesprochen werden könnten. Die Bedeutung des Quartiers nehme zu, wenn älter werdende Menschen nicht mehr so viel wie zuvor unterwegs sein könnten. „Dann wird das Quartier wichtig“, sagte Karin Nell.
Wie die Stadtteilarbeit in Marl-Hüls in einem ehemaligen Supermarkt auf die Beine kam, beschrieben Pfarrer Jörg Krunke (Evangelische Stadtgemeinde Marl) und Ramona Glodschei (Diakonisches Werk im Ev. Kirchenkreis Recklinghausen, Stadtteilbüro Hüls-Süd ). Die Arbeit habe vor zwölf Jahren begonnen und sei mit verschiedenen Fördertöpfen im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ verbunden. Man habe vor Ort gefragt, „was brauchen wir hier?“. Inzwischen seien zahlreiche Angebote für Kinder, Jugend, Frauenhilfe, Seniorenarbeit etabliert worden, u.a. eine Kinderbibliothek mit Lesepaten, die für Kinder aus Kindergärten, Schulen und dem Wohnumfeld Bücher und Unterstützung beim Lesenlernen anbieten. Die kostenlosen Raumangebote von mittlerweile 40 Gruppen führten zu einem umfangreichen Programm, ohne dass neue durch eine Vollbelegung ausgesperrt werden. Zwei Mal im Jahr erreichten die Nachbarschaftstage im Rahmen eines großen Festes mit mehr als 60 Initiativen sehr viele Menschen im Quartier in Marl-Hüls.
Bild/Text: hh
Weitere Hinweise zu Marler Sozialraumbüros, dem Kindernetz u.a. (incl. Adressen und Ansprechpartnern)